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20.09.2023, 11:10 Uhr
Harald Beck
Text & Debatte
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Edmund Harburger. Selbstporträt vor 1906

„Plauderei“ über den Münchner Genremaler Edmund Harburger (1846-1906). Von Julius Beck

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Atelier des Malers Edmund Harburger. Der Münchner Schriftsteller Julius Beck beschreibt es auf Grundlage einer Fotografie von Carl Teufel.

Im ersten Band von Wilhelm Spemanns populärer Zeitschrift Vom Fels zum Meer von 1889/90 erschien eine „Plauderei“ in zwei Folgen von Julius Beck mit dem Titel Münchener Malerateliers. Sie basiert auf 11 Fotografien von Carl Teufel (1845-1912), der 1889 drei Bände Ateliers Münchener Künstler, u.a. des Malers und „Urvaters der Alternativbewegungen“ Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913), mit insgesamt 100 Bildern veröffentlicht hatte.[1] Ein weiterer Künstler, den Beck in seiner „Atelierologie“ vorstellt, ist der Zeichner und Genremaler Edmund Harburger (1846-1906).

Der aus Eichstätt stammende Harburger studierte ab Mai 1866 an der Münchener Akademie der Bildenden Künste. Zunächst brachte die Zeitschrift Die Gartenlaube politische Karikaturen von ihm heraus, ab 1870 die Fliegenden Blätter, denen er ca. 1.500 humoristische Zeichnungen lieferte. Zusammen mit Adolf Oberländer und Adolf Hengeler (s. Bild unten) prägte Harburger das Blatt um die Jahrhundertwende. Seine humoristischen Genrebilder zeigen Münchner Volkstypen, häufig in gut erfassten Innenräumen. Ausgestellt wurden seine Werke u.a. im Münchner Glaspalast, Pariser Salon, in der Berliner Akademie sowie Großen Berliner Kunstausstellung. In der Veröffentlichung Heimstätten münchener Künstler von 1890 ist er mit seinem Haus in der Nymphenburger Straße 55 vertreten.

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Hab i a Bier im Kruag
Und a Pfeiferl Tabak,
Na' steck' i vor lauter Freud'
Die ganz' Welt in mein' Sack!
Huldioduliodulio, dulioh!

Und jetzt denke man sich zu dem Sänger einen „Wimmerkasten“, eine „Klampfen“, eine „Zupfgeig'n“, alles in allem eine Guitarre, ein ungemein lustiges Schelmengesicht mit kleinen zusammengekniffenen Augen, roten aufgeblasenen Backen, eine Birnennase und einem zu einem breiten Lachen verzogenen Mund; dann einen alten „Ditschi“ oder „Felber“ mit emporragender Hahnenfeder auf den kurzen, struppigen Haaren, einen schäbigen, da und dort zerrissen aussehenden Lodenjanker über der Schulter und wir haben die richtige Stimmung, um bei dem Humoristen Harburger einzutreten. Wir sind im Reiche der Komik. Alles lacht uns hier an: der alte zerrissene Korb, „Krätzen“ genannt, der seltsame Kupfer- oder Eisenkessel, selbst der würdevolle Glasschrank mit seinen Schnitzereien kann das Lachen nicht verbeißen, weil er sich bei Harburger befindet. Aber, aber! Noch etwas zieht uns durch seine unwiderstehliche Komik an: das Modell einer unverfälschten, wie direkt vom „Klampfenhiesl“ bezogenen Bauernstube. Die Bauernstuben sind ja nun im Grunde gerade nicht komisch, aber  d i e s e  Bauernstube bevölkert unsere Phantasie sofort mit jenen urwüchsigen lustigen Leuten, welche der Stift oder Pinsel Harburgers geschaffen – und da bleibe dann jemand ernst! Diese Stube atmet ja keinen Ernst; aus jedem Winkel, vom Stuhl, von der Bank zwinkert uns ein Bauernschelm oder ein urwüchsiger Naturkomiker zu. Einer von diesen lustigen Kumpanen muß jeden Augenblick wieder eintreten, denn sein Hut liegt ja noch auf dem Tisch, sein Pfeifenstummel daneben und der Maßkrug ist gewiß noch nicht geleert. Wahrscheinlich zupft er draußen der Liesl auf der Guitarre was vor; sie ist ihm jedenfalls zu lange ausgeblieben und allein sein mit seiner Fidelität, das hält so ein Tropfenberger nicht auf die Dauer aus. „Ernst ist das Leben, heiter die Kunst“, die letztere ist bei Harburger noch um ein gut Stück heiterer, als bei anderen Künstlern. In diesem Atelier schwirren die Schnadahüpfln nur so umher und die Zeit vergeht einem im Fluge, wenn man auch all die drolligen Erzählungen hört, die sich die Bewohner der Bauernstube mitteilen. Da flattern die „Fliegenden Blätter“ umher und zeigen die naturechten Konterfeis dickwanstiger Bierphilister mit glotzigen Gesichtern, denen der Stift Harburgers einen schalkhaften oder urdummen Zug gegeben hat, der seine Wirkung auf unsere Lachmuskeln nie verfehlt. Der Humorist Harburger ist in seinen Zeichnungen und Bildern ganz selbständig eigenartig, kein Zug, kein Strich erinnert an schon Dagewesenes, Gleichartiges. Wer einmal einen Harburger gesehen, um einen terminus technicus zu gebrauchen, der erkennt ihn in jedem seiner Bilder sofort wieder. Diese Originalität ist's, die ihn als echten Künstler kennzeichnet. Merkwürdig! Macht es das Bier oder die Münchener Gemütlichkeit – wir haben den Vorzug vor allen anderen Kunstmetropolen Europas, mehrere derartige hervorragende ausgesprochen originelle Humoristen in unseren Mauern zu beherbergen. Einst Walther Busch, jetzt noch Meggendorfer und Oberländer.

Und jetzt muaß i geh'n,
Drum pfüat Enk halt Gott –
Wenn d's gar nix mehr hört's vo mir,
Na' bin i halt tot!
Duliöduliödie, duliödie!

 

(Aus: Vom Fels zum Meer, 1889/90, S. 248f.)

Münchener Maler-Humoristen, 1890. Aus: Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur (6.1890-1891)

[1] Eva Mongi-Vollmer äußert sich zu Julius Becks Münchener Malerateliers in ihrer grundlegenden Monographie: Das Atelier des Malers: die Diskurse eines Raumes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Berlin 2004, S. 61f.