Info
Geb.: 15. 3.1830 in Berlin
Gest.: 2. 4.1914 in München
Foto: Loescher & Petsch (Bayerische Staatsbibliothek München/Porträtsammlung)
Namensvarianten: Paul Johann Ludwig von Heyse

Paul Heyse

Paul Johann Ludwig Heyse wird als Sohn eines Philologieprofessors geboren. Im Elternhaus erlebt er eine bildungsbürgerliche Atmosphäre, die durch die Erziehung im Friedrich-Wilhelms-Gymnasium in Berlin und die Freundschaft mit dem älteren Dichter Emanuel Geibel, der sich als Epigone einer großen Tradition versteht, noch verstärkt wird. Auch die frühe Berührung mit dem Berliner jüdischen Salon, zu dem Heyses Mutter verwandtschaftliche Beziehungen besitzt, wird für Heyse prägend. Heyse studiert 1847-51 in Berlin und Bonn Klassische Philologie, Kunstgeschichte und Romanistik und schließt sich dem literarischen Sonntagskreis Tunnel über der Spree an. Durch den Kunsthistoriker Franz Kugler wird er mit dem Historiker Jacob Burckhardt, dem Illustrator Adolph Menzel sowie den Schriftstellern Theodor Fontane und Theodor Storm bekannt. Um 1850 ist Heyses Ruf bei Verlegern so gefestigt, dass er Fontane und Storm lancieren kann. Allerdings bringt ihm der frühe Ruhm Spannungen von Seiten konservativer Mitglieder innerhalb des „Tunnels“ ein.

Nach kurzer Teilnahme an der Revolution von 1848 und Promotion über die Poesie der Troubadours an der Berliner Universität unternimmt Paul Heyse 1852/53 eine Bildungsreise nach Italien, um die provenzalische Lyrik in Rom, Florenz, Modena und Venedig zu studieren. Im Mai 1854 holt ihn der bayerische König Maximilian II. auf Empfehlung Geibels nach München, wo er sich, mit einer festen Pension von jährlich 1000 Gulden, als freier Schriftsteller niederlässt. „Ohne weitere Verpflichtung, als an den geselligen Abenden des Königs teilzunehmen“, stellt Heyse auf Wunsch des Königs Literaturlisten zusammen und begleitet 1860 den Hofstaat zur traditionellen Jagd in Berchtesgaden oder zur Traubenkur in der Pfalz. Er wird zudem Mitglied im „Münchner Dichterkreis“ – einer Gruppe von literarisch rückgewandten Dichtern und antirealistischen Formkünstlern. Heyse gründet 1854 in Anlehnung an seine Berliner Anfänge die Literatenverbindung „Die Krokodile“ (Mitgliedsname: ‚Eidechs‘), der u.a. Friedrich von Bodenstedt, Felix Dahn, Hans Hopfen, Franz von Kobell, Hermann Lingg, Melchior Meyr, der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl sowie der Kunstmäzen Adolf Friedrich Graf von Schack angehören. Ins selbe Jahr fallen seine Hochzeit mit der Tochter seines Mentors, Margaretha Kugler, die bereits acht Jahre später stirbt, und die Entstehung der berühmtesten seiner rund 150 Novellen, L’Arrabiata.

Mit großer Aufmerksamkeit verfolgt Heyse das zeitgenössische literarische Geschehen. Durch seine kritischen Essays und Rezensionen für das Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes versucht er so manchen noch nicht wertgeschätzten Schriftsteller ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit zu rücken, vor allem den schon erwähnten Theodor Storm, Eduard Mörike, Friedrich Hebbel, Franz Grillparzer oder Iwan Sergejewitsch Turgenjew, denen er zum Teil freundschaftlich verbunden ist. 1858 redigiert Heyse den letzten literarischen Jahrgang dieser wichtigsten kunsthistorischen Zeitschrift im deutschsprachigen 19. Jahrhundert selbst.

Heyse bleibt bis 1868 im Dienst des Königs; nach der Entlassung seines Freundes Geibel durch den Wagnerverehrer Ludwig II. reicht er sein Entlassungsgesuch ein. Er verzichtet auf sein Ehrengehalt und verbringt die Wintermonate fortan in Italien in seiner Villa am Gardasee. Sein Kontakt zu München beschränkt sich auf die gelegentliche Übersendung eines neuen Werks sowie eine Separatvorstellung seines Schauspiels Ehre um Ehre (1869), zu dessen Aufführung im Residenztheater Heyse anmerkt, dass der König „seine Marotte wenigstens nicht so weit [trieb], den Verfasser des Stückes, das er aufführen ließ, aus dem Hause fortzuweisen.“

1871 wird Heyse in den Kreis der Ritter des königlich bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst aufgenommen, dessen Mitgliedschaft er jedoch 1887 aufgrund zunehmend klerikaler Einflüsse niederlegen muss. Ebenso verlässt er die Jury des Schillerpreises, den Heyse 1884 verliehen bekommt, nachdem Kaiser Wilhelm II. die Preisvergabe an den Schriftsteller Ludwig Fulda abgelehnt hat.

1910 erhält Paul Heyse  – nach dem deutschen Historiker Theodor Mommsen (1817-1903) und dem Philosophen Rudolf Eucken (1846-1926) – als erster deutscher Dichter für sein Lebenswerk den Nobelpreis für Literatur: „als Huldigungsbeweis für das vollendete und von idealer Auffassung geprägte Künstlertum, das er während einer langen und bedeutenden Wirksamkeit als Lyriker, Dramatiker, Romanschriftsteller und Dichter von weltberühmten Novellen an den Tag gelegt hat.“ Zugleich ernennt ihn die Stadt München anlässlich seines 80. Geburtstages zum Ehrenbürger.

Von Bedeutung bleibt Heyse vor allem wegen seiner unerschöpflichen Novellen und der von ihm nach dem Ideal der klassischen Novelle entwickelten „Falkentheorie“: In Anspielung auf Boccaccios Falkennovelle im Decamerone (1349-53) fordert Heyse, dass die zentrale Handlung einer jeden Novelle in einem einprägsamen, unerwarteten Wendepunkt, dem „Falken“, zu gipfeln habe. Darüber hinaus entspricht sein Werk wie kein anderes dem Geschmack vieler seiner Zeitgenossen, wenngleich es den neueren, fortschrittlicheren Strömungen seiner Zeit (Naturalismus, Schwabinger Bohème) entzogen bleibt.

Verfasst von: Bayerische Staatsbibliothek / Dr. Peter Czoik

Sekundärliteratur:

Davidis, Michael (2014): Das Haus hinter dem Propyläenwäldchen. Paul Heyse und sein Münchner Domizil. In: Literatur in Bayern 29, Nr. 115, S. 13-16.

Füssl, Karl (2004): Paul Heyse (15.3.1830 – 2.4.1914). „Und alles ist zerstoben!“ In: Schweiggert, Alfons; Macher, Hannes S. (Hg.): Autoren und Autorinnen in Bayern. 20. Jahrhundert. Bayerland Verlag, Dachau, S. 17f.

Mahr, Johannes (1987) (Hg.): Die Krokodile. Ein Münchner Dichterkreis. Texte und Dokumente mit 29 Abbildungen. Reclam, Stuttgart.

Pörnbacher, Karl (1967): Formkunst und Mundartdichtung. Literatur in München unter König Maximilian II. In: Dünninger, Eberhard; Kiesselbach, Dorothee (Hg.): Bayerische Literaturgeschichte in ausgewählten Beispielen II. Süddeutscher Verlag, München, S. 301-314.


Externe Links:

Literatur von Paul Heyse im BVB

Literatur über Paul Heyse im BVB

Werke im Projekt Gutenberg-DE

Werke bei zeno.org

Paul Heyse im Goethezeitportal

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